Der Komponist im Interview

Am Samstag, den 14. Mai 2022 um 18 Uhr wird in der Matthäuskirche in Stuttgart-Heslach die bekannte Vesper der Stuttgarter Hymnus-Chorknaben gestaltet. Erleben Sie einen liturgischen Abendgottesdienst in ganz besonderer Atmosphäre mit der Uraufführung des Magnificats von Johannes Kretz. Elektronische Klänge vereinen sich hier mit den Stimmen der Sänger. Der Komponist wird an diesem Abend nicht nur zuschauen, sondern auch mitwirken. So wird Neue Musik im sakralen Raum erfahrbar. Wir freuen uns auf Ihr Kommen!

Der Komponist stand uns im Vorhinein für ein Gespräch zur Verfügung und gibt Einblicke in seine Komposition.

Sehr geehrter Herr Kretz, bitte stellen Sie sich einmal kurz vor!

Ich bin 1968 in Wien geboren. Schon von Kindheit an habe ich in Chören gesungen und bin mit evangelischer Kirchenmusik aufgewachsen.

Nach der Schule habe ich in Wien Komposition sowie Musik und Mathematik für das Lehramt studiert. Schon von Jugend an haben mich neben der Musik auch Mathematik und Computer interessiert. Deshalb lag es auf der Hand, das ich mich auf Computermusik, elektronische Klangerzeugung und das Spielen elektronischer Klänge (Live-Elektronik) spezialisiert habe. In den letzten Jahren bin ich auch immer mehr als Interpret von Elektronik aktiv geworden, indem ich den Elektronik-Part meiner eigenen Kompositionen oder auch den von anderen Komponist/-innen auf der Bühne mittels eines iPad, welches einen Laptop fernsteuert, spiele und live gestalte. Außerdem beschäftige ich mich mit künstlerischer Forschung (Artistic Research) und für andere Kulturen. So arbeite ich gerade z.B. in einem langjährigen Projekt mit indigenen Communities auf Taiwan zusammen, um die Frage von Inspiration als wechselseitiger, wertschätzender Einfluss zwischen Kulturen zu erforschen.

Was reizt Sie an der Zusammenarbeit mit den Stuttgarter Hymnus-Chorknaben?

Ich kenne den Leiter der Stuttgarter Hymnus-Chorknaben, Rainer Johannes Homburg, schon seit vielen Jahren. 1998 habe ich für ihn an seiner damaligen Wirkungsstätte eine Kirchenoper komponiert (ELIAS ’98). Die Zusammenarbeit war eine sehr spannende und bereichernde Erfahrung. Umso mehr freut es mich, dass er mich eingeladen hat, eine Komposition für die Stuttgarter Hymnus-Chorknaben zu schreiben. Die menschliche Stimme, und noch mehr die Stimmen von jungen Menschen/Knaben sind für mich klanglich sehr „ansprechend“, unsere Wahrnehmung und unser Geist werden davon sehr stark berührt. Gerade in der Kombination mit elektronischen (also maschinellen) Klängen liegt für mich ein besonderer Reiz.

In Ihrem Werk Magnificat für Chor und Elektronik werden Fragmente aus dem biblischen Text mit Zitaten von Greta Thunberg u.a. gegenübergestellt. Spiegeln die elektronischen Klänge die heutige Welt mit ihren Problematiken wieder?

Ich würde nicht unbedingt generell die elektronischen Klänge mit den Problematiken der heutigen Welt zu 100% gleichsetzen. Elektronische Klänge können z.B. auch dadurch, dass sie über Lautsprecher projiziert werden und keine mechanisch-akustischen Klangerzeuger oder Instrumente sichtbar sind, ein Gefühl der Transzendenz, des Nicht-Materiellen, vielleicht sogar des Spirituellen erzeugen. Mich interessiert es auch, aus der Verschmelzung von Instrumental- bzw. Vokalklängen und elektronischen Klängen bei den Zuhörer/-innen den Eindruck entstehen zu lassen, dass man etwas hört, was ein wenig unerklärlich oder im besten Fall sogar magisch ist.

Wie können wir uns die Arbeit mit einem Synthesizer vorstellen? Agieren Sie dann wie ein DJ oder halten Sie sich an Noten? Wird auch improvisiert?

Es gibt da unterschiedliche Arbeitsweisen bei mir. In manchen Kompositionen gibt es improvisatorische Anteile, in anderen ist alles vorprogrammiert und steht in einer genauen Beziehung zur Partitur der Musiker/-innen. Generell arbeite ich mit einer Software (MaxMSP), welche eine Art Baukastensystem für alle denkbaren elektronischen Arbeitsweisen darstellt. In dieser Software kann ich mir sowohl eine Improvisations-Umgebung zusammenstellen, als auch eine Komposition mit exakt durchstrukturierten Abläufen, vorbereiteten Tonspuren usw. anlegen.

Für das Magnifikat werde ich etwas verwenden, was ich “Teleskop-Tonband” nenne. Es wird eine Art elektronischen Soundtrack geben, der durch das ganze Stück hindurch die Chorknaben begleiten wird. Allerdings ist dieser „Soundtrack“ in gewisser Weise zeitlich flexibel. Je nachdem, wie schnell oder langsam der Chorpart gesungen wird, kann ich den Ablauf der Elektronik etwas in der Zeit strecken oder stauchen, sodass wir synchron bleiben, aber der Chor und sein Leiter doch flexibel in der zeitlichen Gestaltung bleiben. Für spätere Aufführungen werde ich eine Version vorbereiten, bei welcher das “Teleskop-Tonband” über zwei Tablet-Computer von zwei beliebigen Interpret/-innen aufgeführt und mitgestaltet werden kann, damit die Komposition auch ohne mich aufführbar ist.

(Die Fragen stellte Eva Suhr)


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