Konzertreise 2021 nach Helgoland und NRW

In blauem Meer liegen eine größere und eine kleinere Insel, im Vordergrund die größere, Helgoland, und im Hintergrund, die Düne.

Tag 1 – Wenn einer eine Reise tut…

1.11.2021

In aller Frühe steht ein Häufchen Eltern vor dem Chorheim und winkt einem Kappus-Bus hinterher. Die nicht gestellte Frage beantwortet sich schnell: Der Hymnus fährt mal wieder weg.

Jetzt geht es nach Helgoland, mitten in der Nordsee. Die Fähre fährt erst morgen, deshalb wir heute erstmal nach Cuxhaven, dort in der Jugendherberge zu übernachten. 12 Stunden soll die Busfahrt dauern, die Stimmung ist fantastisch, die Corona-Tests negativ. Denn mal wieder auf Konzertreise zu fahren ist ein Highlight für den Konzertchor. Für einige ist das auch die allererste Reise, was natürlich besonders aufregend ist.

Die erste Rast von noch einigen, die kommen werden, findet direkt an der ersten Raststätte nach Stuttgart statt: Wunnenstein. Hier findet ein Fahrerwechsel statt und es begrüßt uns Marco, der uns nach Cuxhaven bringen wird.

Dank dem Feiertag in Baden-Württemberg war wenig Verkehr; die rechte Spur ist frei und wir müssen uns nicht zwischen LKWs durchschlängeln. Mit der Überquerung der bayrisch-hessischen Grenze gedenken wir aber nicht mehr aller Heiligen und die Straße wird etwas voller, wobei das auch auf die Uhrzeit zurückzuführen sein könnte. Man merkt die unterschiedlichen Gepflogenheiten der Bundesländer auch bei unserer Mittagsrast in Göttingen, wo selbstverständlich alle Läden offen haben und das Leben normal läuft. Auch das Wetter wechselt im Süd-Nord-Verlauf: Vom Regen auf der A 81 über die letzten Nebelfetzen im Hessischen Bergland bis zum wirklich pittoresken Sonnenuntergang, den wir über den Mischwäldern des norddeutschen Flachlands beobachten können durften.

Im Bus vergnügen wir uns mit Wizard, Wer bin ich, Schach, Jungle Speed und anderen Gesellschaftsspielen. Andere nutzen die Gelegenheit, den verpassten Nachtschlaf nachzuholen.

Bei den angefahrenen Raststätten ist Sanifair unser erklärter Gegner: Für ein menschliches Grundbedürfnis zahlen zu müssen, finden wir, ist eine absolute Frechheit, fast so sehr wie der Espressopreis von 3,50 €. So sehen wir es uns nach, dass manche durch das Kindertor durchgehen, obwohl sie sich dafür eventuell schon stark bücken mussten. Auf einem Rastplatz in der niedersächsischen Agrarlandschaft weht es dann von einem Schweinezuchtbetrieb so wohlduftend her, dass sich manche fragen, ob nicht die Bordtoilette leckte. Wie schon so häufig an Rastplätzen spielen wir Fußball und vergessen dabei das frische Lüftchen.

In Cuxhaven angekommen beziehen wir unsere Zimmer und die Betten, bevor wir noch ein warmes Abendessen in der Jugendherberge genießen können. Es gibt Nudeln mit Bolognese-Sauce, die nach dem langen Tag den Magen füllen.

Danach teilen wir uns das erste Mal in die Reise-Kleingruppen, jeweils vier Knaben und zwei betreuende Männerchörler, auf. Für die meisten geht es jetzt mit einem Nachtspaziergang auf dem Deich oder die Promenade entlang in Richtung Nordsee. Es tut nach der langen Busfahrt wieder gut, sich die Füße zu vertreten. So kann man am Ende des Tages auch in sein Bett fallen, erschöpft und vorfreudig auf die kommende Reise.

Tag 2 -“MAHLZEIT!”

2.11.2021

Der Tag ging fast so los, wie man es von der Freizeit gewohnt war: Männerchörler mit Bluetooth-Boxen spielen laut Musik ab, um alle zum Frühstück aufzuwecken. Heute wurde ein thematisch passender Song gespielt: „Am weißen Strand von Helgoland“, ein Neue Deutsche Welle Song aus dem Jahr 1983. An dieser Stelle sei für den Song eine Hörempfehlung ausgesprochen, denn wir stellten fest, dass er Ohrwurmpotenzial besitzt.

Nach dem Frühstück ging es mit dem Bus zum Fährhafen, wo die MS Helgoland darauf wartete, auszulaufen. Mit einigen anderen Passagieren konnten wir die Sicht auf die Nordsee genießen, bei mäßigem Wellengang und strahlendem Sonnenschein. An der frischen Luft konnte man dem einsetzenden Schwindel auch besser begegnen. Es lagen zur Sicherheit dennoch Spuckbeutel aus, die allerdings niemand benötigte. Stattdessen lächelten wir in Kameras für Bilder in verschiedenen Zusammensetzungen.

In mehreren Durchsagen konnten wir hören, dass die Fähre als Postschiff fungiert und damit eigene Poststempel verteilen darf. Das wurde als Argument benutzt, sich in dem bordeigenen Souvenirshop Postkarten und Briefmarken zu kaufen, um den seltenen (und damit wohl unter Sammlern begehrten) Poststempel verschicken zu können.

In Helgoland angekommen war doch der ein oder andere recht froh, wieder festes Land unter den Boden zu haben. Unsere Koffer wurden von einem Shuttle zur Jugendherberge gebracht, sodass wir unbeschwert an den Hummerbuden vorbeischlendern konnten, einem der Sehenswürdigkeiten der Insel.

Zu Mittag aßen wir dann in einem urigen Restaurant, Weddigs Fischerstube. Mit exakt 52 Plätzen war das gesamte Lokal besetzt. Für uns gab es Schnitzel und Pommes bzw. Tagliatelle mit Spinat-Käsesoße. Daraufhin ging es entlang des Unterlandes zur Jugendherberge.

In der JuHe wurden wir begrüßt vom Herbergspersonal in Gestalt von Anke: „MAHLZEIT! Und jetzt, wo ihr alle zuhört, einige Ansagen.“ Dieser etwas skurril anmutende erste Eindruck wurde verstärkt durch einige andere Eigenheiten der Jugendherberge: Der einzigartige Nachkriegscharme, den jedes Bauwerk auf Helgoland ausstrahlt, macht auch vor hier nicht halt (Baujahr 1956). Falls es etwas zu kommunizieren gilt, setzt man auf eine Vielzahl von Schildern. In dem Schilderwald sich zurechtzufinden, bedeutet, unwichtige Infos von anderen Infos herauszusieben, was sich nicht immer als einfach herausstellt. Wir machen es uns dennoch nett.

In der anschließenden Kleingruppenzeit machten sich die meisten auf, das Oberland zu erkunden. Wir konnten nachvollziehen, weshalb die Helgoländer Flagge Grün-Rot-Weiß ist, denn „Grün ist das Land, Rot ist die Kant‘ und Weiß ist der Sand.“, wie es im Volksmund heißt. Wir konnten zur Langen Anna, einem anderen Wahrzeichen Helgolands, der einzelnen Felsspitze, die der Nordsee trotzt. Oben sah man Schafe, Kühe und Krater. Wir waren auch am „Pinneberg“, der höchsten Erhebung des Landkreises Pinneberg, zu dem Helgoland gehört. Dabei ist der Name eher als Scherz zu verstehen, da die Erhebung nach dem Landkreis benannt wurde und nicht andersherum. Pinneberg ist dagegen ursprünglich eine Ortschaft bei Hamburg.

Nach dem Abendessen trafen wir uns zu einer Probe in der Nordseehalle, dem größten Veranstaltungsort auf der Insel. Hier werden wir morgen auftreten und finden uns ein wenig in der Location ein.

Nach einer verpflichtenden Duschrunde am Abend konnte jeder sauber in sein Bett fallen und eine Nacht genießen, in der nur alle 5 Sekunden der Helgoländer Leuchtturm einen weißen Lichtstrahl ins Zimmer warf. So lässt es sich gut einschlafen.

Tag 3 – “Och Anke!”

3.11.2021

Heute Morgen ging es von der Hauptinsel Helgolands auf die Düne. Die Nebeninsel wird von einer Fähre alle halbe Stunde angefahren und eine Tour ist es wirklich wert. Die Fahrt ist kurz und das Fährpersonal routiniert. Sie wird betrieben von der Gemeinde Helgoland als Verbindung zwischen den beiden Inseln. Zwar leben keine Insulaner permanent auf der Insel, allerdings ist sie mit einem Campingplatz, einem Bungalowdorf und einer Minigolfanlage touristisch erschlossen. Außerdem findet sich dort ein Flugplatz, der im sogenannten Dritten Reich erbaut wurde. Heutzutage wird er hauptsächlich zivil genutzt. Wir sehen eine Maschine starten, die allerdings auch unser ausgemachter Flugzeugspezialist Jakob sofort zu bestimmen weiß.

Wir werden begrüßt von Ute und Patrick, zwei Rangern auf der Düne. Ihr Aufgabengebiet ist vielfältig, sie klären Besuchende über die besondere Fauna und Flora der Düne auf (so auch uns) und behalten den Überblick über die ökologischen Vorgänge und Problematiken dieses besonderen Habitats, kurz gesagt: Sie achten auf die Düne. Uns geben sie eine Führung und erklären uns viel über die Seehunde und Kegelrobben, die an den Stränden liegen. Uns wird eingeschärft, nicht zu nah an die Tiere heranzugehen. Ausgewachsene Kegelrobben werden mehrere hundert Kilogramm schwer, fressen auch andere Säugetiere und sind auf den Sandstränden schneller als man selbst. Wir bemerken auch einige Jungtiere, die vor kurzem geboren wurden und durch ihre Fellfarbe gut getarnt sind. Wir sehen auch Makroalgen wie den Finger- und Palmtang an den Stränden und finden Muscheln und rote Helgoländer Feuersteine, die einige Knaben einstecken und mitnehmen.

Das Mittagessen gibt es wieder in Weddigs Fischerstube: Es gibt Nudeln mit Tomaten- bzw. Bolognesesauce. Nach einer Runde (negativer) Coronatests proben wir in der Nordseehalle für unser Konzert am Abend.

In der Jugendherberge gibt es Abendessen, Kartoffelsuppe. Frau Ott erklärt uns daraufhin die Modalitäten für morgen früh, wie die Bettwäsche zurückzugeben ist. Es ist kompliziert. Unser allgemeines Befremden drückt ein Knabe passenderweise mit dem Ausruf „Och Anke!“ aus, was im ganzen Raum schallendes Gelächter auslöst.

Mit dieser gelösten Stimmung treffen wir uns anschließend in Konzertkleidung. Jetzt singen wir das allererste Konzert der Konzertreise: Eine volle Stunde Kirchenmusik, endlich wieder. Eine Motette um die andere wird angestimmt, gesungen, der Schlussakkord verklingt. Man merkt gar nicht, wie schnell die Zeit vergeht. Das Publikum muss das Konzert genauso genossen haben wie wir, denn der Applaus toste und die Gesichter strahlten. Einige Zuhörer spendeten sogar stehende Ovationen.

Die geforderte Zugabe wird eingeleitet durch Herrn Drebes. Der hiesige Inselkantor hatte uns im Februar 2020 eingeladen und freut sich, dass es jetzt nach eineinhalb Jahren Pandemie geklappt hat. Seine Herzensanliegen sind neben der Musik der Frieden und der Klimaschutz, die er unter dem Stichwort „Klimafrieden“ zusammenführt. Dafür hat er einen Klimakanon geschrieben, den wir nun als Zugabe aufführen. „Klimafrieden, immer mehr, gib uns Frieden immer, immer mehr.“ Schließlich wird das Publikum auch ganz herzlich eingeladen, mitzusingen. Ein Video davon wird auf Youtube verfügbar sein, auf dem Kanal Kirchenmusik Helgoland.

Herr Drebes findet auch rührende Worte des Dankes, an den Hymnus und sein Team, an uns Sänger, aber auch an unsere Eltern, die es uns ermöglichen, bei so etwas Schönem mitzusingen. In der Kirchenmusik offenbart sich ihm immer wieder das Geheimnis des Glaubens und je älter wir werden, desto mehr würden wir zu schätzen wissen, was wir an dem Chor haben.

Nach der zweiten Zugabe, ein „Mond“, ziehen wir uns um und gehen zurück in die Jugendherberge. Hier spürten manche, wie lang wir kein „richtiges“ Konzert mehr gesungen hatten: Die Knie waren müde und die Schultern waren es offenbar nicht mehr gewohnt, ein ganzes Konzert seine Notenmappen zu halten. Von dem Tag und dem Abend erschöpft schliefen wir auch schnell ein.

Tag 4 – Zuletzt am weißen Strand von Helgoland

4.11.2021

Der Reisechor (Bild: Helgoland)

An unserem letzten Tag auf Helgoland genießen wir schon morgens das schöne Wetter, bei strahlendem Sonnenschein und einer für Helgoland erstaunlichen schwachen Brise. Nach dem Frühstück geht es in die Nordseehalle, um noch ein wenig zu proben. Nach einem Einsingen hilft ein Bach‘scher Geist der vormittäglichen Schwachheit auf.

Anschließend ging es zu einer Inselführung. Hanna wusste uns aus verschiedenen Perspektiven über das Inselleben zu berichten: Sie ist nicht auf der Insel geboren, sondern zugezogen. Sie hat Kinder, die unter den besonderen Bedingungen zur Schule gehen, die eine 1300-Einwohner-Insel mit sich bringt: Die James-Krüss-Gesamtschule unterrichtet in sehr kleinen Klassen bis einschließlich der zehnten Klasse immer zwei Klassenstufen auf einmal. Danach geht es für die meisten Insulaner, die die gymnasiale Oberstufe besuchen oder eine Ausbildung auf dem Festland absolvieren wollen, von zuhause weg. In der Nähe von Cuxhaven gibt es ein gymnasiales Internat, das viele Helgoländer besuchen. Wir merken: Das Leben auf einer Insel bringt sehr viele Besonderheiten mit sich.

Außerdem erfahren wir viel über die eindrucksvolle Geschichte Helgolands: Lang dänisch, dann englisch, ab 1890 deutsch. In beiden Weltkriegen als Flottenstützpunkt genutzt, mit gigantomanischen Plänen der Nazis, es zu einer Seefestung auszubauen; das „Projekt Hummerschere“ wurde 1941 schon eingestellt. 1945-52 Übungsgelände für die Royal Navy, 1947 dann der „Big Bang“, bei dem die Briten die Bunkeranlagen sprengten (und tatsächlich auch nur die sprengen wollten, nicht wie manchmal angenommen, auch die gesamte Insel). Das „Mittelland“ sind die Überreste des größten Bunkerteils, die Krater auf dem Oberland zeugen von dem Abwurf von Fliegerbomben zu Übungszwecken durch die Briten. Insgesamt war die Führung sehr informativ und wir konnten ein Verständnis gewinnen für die außergewöhnliche Situation von Helgoland.

Mittagessen gab es nochmals in der Fischerstube. Heute gab es Nudeln mit Gulaschsoße bzw. Ratatouille an Reis. Bis zur Abfahrt der Fähre machten einige Kleingruppen Zwischenstopps in Cafés, beim Fischbrötchenstand oder den Duty-Free-Shops (denn in Helgoland zahlt man weder deutsche Verbrauchssteuern noch Zoll bei der Überfahrt zum Festland, sofern man unter den Freibeträgen bleibt).

Die Abfahrt von Helgoland mit der Fähre bedeutete die Ausreise aus dem „innerdeutschen Ausland“, wie es über die Insel manchmal heißt. Während ein recht warmer Wind ging konnte man an Deck die Insel langsam erst im Regen, dann am Horizont verschwinden sehen. Auf der Fähre konnten wir einige interessante Personen entdecken, denn nicht nur die oben bereits erwähnte Anke war an Bord und fuhr in ihren Urlaub, sondern es waren auch, so munkelt man, Mitglieder einer einflussreichen Familie aus Westeros an Bord.

Wir fuhren jetzt weg, ja, nicht von „Deutschlands einziger Hochseeinsel“, denn das ist Helgoland weder geografisch noch rechtlich gesehen, sondern von einer Insel, die wir in den letzten Tagen kennen lernen durften. Eine Insel, die unter vielen Gesichtspunkten sich vom Festland unterscheidet, von der Lage, von der Flora und Fauna, vom Alltag der Menschen, aber auch von den Auswirkungen des Klimawandels und der von Krieg und Konflikt geprägten Vergangenheit.

Als wir in Cuxhaven einliefen, war es so dunkel, dass man die See nicht mehr vom Himmel unterscheiden konnte. Nach einem Abendessen in der gleichen JuHe wie am Montag konnten wir erschöpft und geschafft einschlafen.

Tag 5 – Wieder auf dem Festland

5.11.2021

Heute Morgen brachen wir von der Jugenherberge Cuxhaven auf, diesmal mit dem Bus in Richtung Ostwestfalen-Lippe. Herr Homburg weiß über Lemgo und das Lipperland vieles zu erzählen, schließlich war er hier lang als Kirchenmusiker tätig. Wir erfahren von Hexenverbrennungen und damaligen Rechtsauffassungen, von fehlender Zuganbindung und Konfessionskonflikten, von der Frage, zu welchem Bundesland „OWL“ gehört, und dem Lemgoer Rathaus. Wir wissen nun, das, was auf Helgoland der weiße Strand, ist hier der mehrmalige Handball-Meister TBV Lemgo Lippe.

Auf der Busfahrt gibt es eine frühe Mittagsrast. Das beeinträchtigt uns in unserem Heißhunger aber kein bisschen und einige genießen ihre lokalen Spezialitäten sogar ausgiebig und geradezu zelebrativ.

In Lemgo angekommen gibt es eine Runde (negative) Schnelltests für den gesamten Chor. Anschließend können wir in der Kleingruppenzeit die Lemgoer Innenstadt mit ihren gut gepflegten Kaufmannshäusern bewundern. Die „Mittelstraße“ entspricht einem alten Handelsweg, der sich hier in Lemgo mit einer anderen Handelsroute kreuzte. Der Einfluss der Hanse auf die Architektur ist genauso sichtbar wie die lutherische Prägung: Auf sehr vielen Häusern stehen Bibelverse, die wir teilweise aus bereits gesungenen Stücken zu entziffern wissen. Teils müssen wir dafür Latein beherrschen, teils nur den örtlichen niederdeutschen Dialekt, der sich in dieser historischen Schriftsprache sehr deutlich niederschlägt.

Gestärkt durch Crêpes, gebrannte Mandeln und Punsch ging es in die Kirche St. Nicolai. Eine dem Schutzpatron der Händler geweihte Kirche gibt es, wie eine Marienkirche, in nahezu jeder ehemaligen Hansestadt. Bei der Anspielprobe darf unser Organist Hannes von Bargen so gut wie alle Register ziehen, die die Orgel bietet. Die Akustik der Kirche spielt uns in die Hände, denn in einem solchen Kirchenraum entfaltet sich der Knabenchor-Sound „in seinem natürlichen Habitat“. Entspannt kommen wir in das Gemeindehaus, wo Pizza und Gemüsecurry auf uns warteten. Diese Stärkung vor dem Konzert wissen wir sehr zu schätzen.

Beim Konzert ist die Kirche mit einem vollen Schiff wirklich gut besucht. Dies ist wohl auch darauf zurückzuführen, dass der Name von Herrn Homburg in der Stadt bekannt ist. So singt es sich außerordentlich beschwingt. Der Auf- und Abtritt verläuft etwas bruchstückhaft, fast mosaikoid, und die gute Stimmung im Tenor II lässt sich auch von Hustenattacken nicht trüben, denn auch sie können den tosenden Applaus nicht übertönen. Wir schlossen, wie altbekannt, mit einem “Mond”.

Wie wir später erfahren, sollte am nächsten Morgen eine große regionale Tageszeitung irrtümlicherweise über das Konzert schreiben, es fände erst morgen, also am Samstag statt. Dies hat der Besucheranzahl aber wohl keinen starken Dämpfer verpasst. Die Lippische Landeszeitung hingegen veröffentlicht korrekterweise eine Konzertbesprechung, die sich sehr gut liest. [Sie findet sich in der heutigen Bildergalerie.]

Vom Konzert noch beschwingt, werden wir auf unsere Gastfamilien aufgeteilt. Wir machen es uns nett, ob beim Billard oder im guten Gespräch mit den Gasteltern im Kerzenschein. Der freie Abend ist der Schlüssel zur Erholung nach den erschöpfenden letzten Tagen und dieser tut der Freude keinen Abbruch.

Von so viel Gastfreundschaft empfangen zu werden, gibt uns allen Kraft und wir freuen uns schon auf morgen!

Tag 6 – Alte Freunde in Schwerte an der Ruhr

6.11.2021

Heute Morgen konnten wir in unseren Gastfamilien ausschlafen. Von zum Frühstück üppig gedeckten Tischen – ja Tafeln – konnten wir uns für die anstehende Busfahrt reichlich zu essen mitnehmen. Die späte Abfahrt in Lemgo war auf die Kalkulation zurückzuführen, dass unser Busfahrer aus Arbeitsschutz nur in einer begrenzten Zeitspanne täglich fahren darf. Nach unserem heutigen Konzert in Schwerte müssen wir aber die relativ lange Fahrt nach Stuttgart noch zurücklegen, weshalb seine Startzeit nach hinten rutscht. Dafür haben natürlich wir alle großes Verständnis. Die Busfahrt wurde wie gehabt für allerlei Spiele und andere Vergnügungen genutzt.

In Schwerte angekommen stellen wir unsere Konzertkleidung in das architektonisch sehr ästhetische Gemeindehaus von St. Viktor. Dort werden wir von der dortigen Kantorin Clara Ernst und ihrem Mann Johann-Ardin Lilienthal herzlich begrüßt. Gerade für ältere Sänger stellt das ein freudiges Wiedersehen dar: „Herr Lilienthal“ hat in der Vergangenheit häufig Proben geleitet und bei Projekten mitgewirkt. Umso schöner, ihn hier zu sehen.

Wir begeben uns für unser Mittagessen in „Das Lokal“ in Schwerte. Es gibt Spätzle mit Rahmsauce und Penne an Gemüsesugo. Die Dekorationen des Restaurants laden handfest dazu ein, sie zu begutachten.

Anschließend proben wir in der sehr schönen und hellen Kirche für unser Konzert. Wir beeilen uns und haben einen rigiden Zeitplan, denn in der Zwischenzeit zwischen Probe und Konzert wird in derselben Kirche noch ein Hochzeitsgottesdienst stattfinden. Wie uns erklärt wird, ist St. Viktor eine sehr beliebte Hochzeitskirche im Ruhrgebiet. Das ist die Kirche nicht nur wegen der schönen, hellen Architektur und dem kunstvoll geschnitzten Hochaltar, der Episoden aus dem Leben Christi abbildet, sondern auch, weil die direkte Nachbarschaft Locations für die Feier bietet.

Diese Pause nutzen wir, um ein letztes Mal in Kleingruppen den Ort zu erkunden. Manche setzen sich in ein Café und essen wie gestern Crêpe, andere gehen den „Planetenweg“ entlang, bis zum Asteroidengürtel. Dritte unternehmen einen Spaziergang an die Ruhr bei Schwerte, in der, wie wir feststellten, so manche Schätze zu heben sind. Wir Wagen es nicht, diese mitzunehmen.

Vor dem Konzert stellten wir fest, dass nur wenige Sänger an ihrem Geburtstag schon mit dem Hymnus aufgetreten sind. Heute wurde dieser erlauchte Kreis um eine weitere Person erweitert, denn heute konnte ein Sopran II seinen Geburtstag mit uns feiern.

Das Konzert verläuft so gut, dass offenbar nicht nur das Publikum, sondern auch das Orgelpositiv atemlos war: Vorübergehend war wohl der Strom ausgeschaltet worden. Nachdem das behoben worden war, brachten wir heute schließlich Bachs „Geist“ zum Auftritt. Nach dem Applaus besangen wir in unserem letzten Stück, wie schon manchmal, dass der Mond aufgegangen war.

Nach dem Konzert hieß es schnell umziehen und in den Bus. Wie oben erwähnt, hatte unser Fahrer eine harte Deadline, bis wann er fahren durfte. Deshalb fahren wir ohne Pause durch, bis schließlich doch eine Pflichtpause ansteht – glücklicherweise nur für eine halbe Stunde und nicht für die ganze Nacht. Denn wir stehen an der Raststätte Wunnenstein, kurz vor Stuttgart. Hier hatten wir auf der Hinfahrt auch schon gehalten, da fand aber hier ein Fahrerwechsel statt. Jetzt stehen wir nur als kurze Rast hier, für einen letzten Durchatmer in der nächtlichen Eiseskälte. Wir freuen uns auf unsere eigenen Betten, wieder zuhause.

Aber auf einer Konzertreise darf natürlich eines nicht fehlen: Die Rede des ältesten Knabens und des jüngsten Männerchörlers. Ihnen kommt die Aufgabe zu, in literarischer Form zusammenzufassen, was auf der Reise so vorgefallen ist. Heute finden die beiden treffende Worte und scharfe Bemerkungen über Eigen- und Besonderheiten der Reise, von Mitreisenden und der gefestigten Gemeinschaft im Chor, über Alters- und Stimmunterschiede hinweg. Mit viel Wortwitz und ausgeglichener Metrik konnten wir uns durch diese vortreffliche Rede einen guten Reim darauf machen, wie schön diese Reise für uns alle war. Schließlich erklingt Musik; ein Song, der sozusagen unser Mottolied wurde: „Am weißen Strand von Helgoland“, der Neue Deutsche Welle-Hit mit jetzt aktualisiertem Ohrwurmpotenzial. Es war schön.

Statistiken

Auf dieser Konzertreise haben wir:

  • in 6 Tage 3 Konzerte gesungen,
  • 6 Bus- und 4 Fährfahrten erlebt,
  • 4 mal in Jugendherbergen und 1 mal in Gastfamilien übernachtet.

Dabei fuhren mit:

  • insgesamt 46 Sänger, 29 Knaben und 17 MCs,
    • 18 Sopranisten,
    • 11 Altisten,
    • 8 Tenöre, davon 1 FSJler,
    • 9 Bässe,
  • 2 Personen aus dem Chorbüro,
  • 1 Organist und
  • 1 Chorleiter.

Vielen Dank!

Von meiner Seite bleibt nur, einen großen Dank auszusprechen: An die unermüdlichen Fotografen, die meiner Bitte, ihre Bilder zügig abzugeben, schneller nachgekommen sind als ich mit den Texten. An meine Mit-Männerchörler, die Verständnis aufbringen, wenn man noch etwas hochladen möchte oder sie nach ihren Eindrücken des Tages fragt. Und zu guter Letzt ein Dank an das Chorbüro und den gesamten Chor, dass diese Reise allen Widrigkeiten zum Trotz stattfinden konnte. Das freut mich und sicher auch alle anderen außerordentlich!

 

Und der Rest war Musik.

 

SG


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